Allgemeines über die Enigma

 

1. Die Enigma wird erfunden

 

Die Enigma ist wahrscheinlich die bekannteste Rotor-Chiffriermaschine der Welt. Warum die Enigma so berühmt ist, und natürlich auch, wie sie funktioniert, soll nun erläutert werden. Allerdings möchte ich Sie schon einmal vorwarnen: Die Enigma und ihre Funktionsweise ist nicht in ein paar Sätzen erklärt, und die Funktionsweise ist auch nicht so intuitiv erfassbar. Mehr noch: Die Enigma zu verstehen ist eine Herausforderung, nicht zuletzt, weil es unzählige Varianten der Enigma gab. Natürlich hat die Enigma auch eine historische Bedeutung, und die Tatsache, dass der Enigma-Code von den Engländern unter der Federführung von Alan Turing geknackt wurde, dürfte sogar ein wichtiger Wendepunkt im Verlauf des 2. Weltkriegs gewesen sein. Dies ist so, weil die deutsche Wehrmacht noch einige Jahre nach der Entschlüsselung des Enigma-Codes glaubte, dass ihr Funkverkehr abhörsicher sei. Dieser strategische Vorteil der Engländer hat sicherlich einiges zum Sieg der Alliierten über die Deutschen beigetragen.

 

Auch die Enigma ist nicht aus dem Nichts entstanden, und die im Netz oft verbreitete Aussage, dass Arthur Scherbius, der Erfinder der Enigma, einfach ein Genie war, ist schlicht falsch. Auch, wenn die letzte Aussage in vielen Internet-Foren auftaucht, stecken in der Enigma doch Verschlüsselungsverfahren, die schon sehr alt sind. Sie werden im weiteren Verlauf noch sehen, dass aber diese Tatsache letztendlich nicht wirklich dazu geführt hat, dass der Enigma-Code geknackt werden konnte, sondern vor allem die Menge an Nachrichten, die mit der Enigma verschlüsselt wurden. Bevor ich mich nun eingehend dem Aufbau der Enigma widme, muss ich noch einige Grundlagen zu den Verschlüsselungsverfahren behandeln, die die Enigma benutzt. Zunächst benutzt die Enigma eine einfache Caesar-Substitutionschiffre. Diese wird durch spezielle Rotoren geleistet. Diese ersetzen ganz analog zu der Caesar-Chiffre die Buchstaben A (=1) bis Z (=26) durch einen anderen Buchstaben. Bis weit in das 18. Jahrhundert hinein galt die Vigenere-Chiffre- eine erweiterte Caesar-Substitution- als sicher, vor allem, wenn man sehr lange Schlüssel benutzt. Durch statistische Verfahren, die die Häufigkeit der einzelnen Buchstaben in einem Text bestimmen, konnte aber auch die Vigenere-Chiffre geknackt werden, vor allem, weil oft Schlüssel benutzt wurden, die man sich leicht merken konnte. Gerade dies erzeugt auch in den verschlüsselten Texten Muster, und diese Muster können dazu benutzt werden, um den Schlüssel zu erraten. Schon im ersten Weltkrieg war die Vigenere-Chiffre oder ähnliche Methoden wie Chiffrierscheiben nicht mehr sicher, und so benötigte die deutsche Wehrmacht etwas viel besseres. An dieser Stelle kommt wieder Scherbius ins Spiel, der mit der Enigma quasi die Vigenere-Chiffre weiter verkomplizierte (auch bei dem Enigma-Code handelt es sich übrigens weiterhin um eine Substitutions-Chiffre, bei der jedoch der Schlüsselraum stark erweitert wird). Der erste Anlauf im ersten Weltkrieg scheiterte übrigens, und Arthur Scherbius’ Maschine wurde zumindest von der Kriegsmarine als unbrauchbar und fehleranfällig verworfen. Erst die Enigmen ab dem Baujahr 1923 waren brauchbar und deshalb wurde die Enigma (vor allem der Version M3 und M4) auch erst im zweiten Weltkrieg flächendeckend eingesetzt. Es soll nun im Detail erklärt werden, wie die Enigma funktioniert, und welche Verschlüsselungsmethoden hier zu einer Einheit kombiniert werden.

 

2. Aufbau der Enigma

 

2.1 Die Walzen – der wichtigste Bestandteil der Enigma

 

Die Enigma ist eine sogenannte Rotor-Chiffriermaschine. Dies bedeutet, dass die Verschlüsselung durch mehrere drehbare Rotoren erfolgt, die jeweils einen Buchstaben durch einen anderen ersetzen. Bei der Enigma werden die Rotoren Walzen genannt. Die Walzen sind Herzstück der Enigma. Eine Walze ist ein Ring, in den auf der rechten Seite Drähte hineinführen, und auf der linken Seite wieder austreten. Bei der Standard-Version sind dies 26 Eingangsdrähte und 26 Ausgangsdrähte, für jeden Buchstaben gibt es einen Draht. Wenn nun der Buchstabe A verschlüsselt werden soll, muss ein Strom auf den ersten Draht gegeben werden. Innerhalb der Walze sind nun die Kabel über Kreuz verschaltet, deshalb kommt der Strom für den Buchstaben A beispielsweise am Ausgang für den Buchstaben E heraus (also nicht am 1., sondern am 5. Ausgang). Eine Walze führt also erst einmal nur eine einfache Caesar-Chiffre aus und ist deshalb für sich allein betrachtet noch nicht sicher. Um den Schlüsselraum zu erweitern, gibt es nun mehrere Walzen, durch die der Strom nacheinander fließen muss. Bei den Standardmodellen wie der oft verwendeten M3 (Kriegsmarine-Modell, das ab dem Jahr 1923 benutzt wurde) sind dies drei Walzen. Die Enigma verwendet also gleich mehrere Ersetzungen. Für den Buchstaben A sind es z.B. die folgenden:

 

A→E→S→G

 

Dummerweise ist diese Ersetzungsmethode nicht symmetrisch. Symmetrisch bedeutet, dass z.B. A mit G, G aber auch wieder mit A verschlüsselt werden muss, damit sich ein Text auch wieder entschlüsseln lässt. Sehen wir uns nun an, wie G zurzeit entschlüsselt wird:

 

G→D→K→X

 

Wie Sie sehen, haben wir hier ein Problem. Scherbius hat in der Tat lange Zeit benötigt, um das Problem mit der Symmetrie in den Griff zu bekommen. Die Lösung, die den Schlüsselraum noch einmal stark erweitert, ist, den Strom zweimal durch die Enigma zu schicken - einmal hin und einmal zurück. Zu diesem Zweck wird eine zusätzliche Walze benutzt, nämlich der Reflektor (auch als Umkehrwalze oder kurz UKW bezeichnet). Der Reflektor leitet den Strom direkt zurück auf die 3. Walze, und so kommt der in die Enigma fließende Strom auch wieder zurück. Auf diese Weise ist die Chiffre nun symmetrisch, und A würde in unserem letzten Beispiel nun durch V, und V würde durch A ersetzt.

 

2.2 Das Steckerbrett – zusätzliche Erweiterung des Schlüsselraums

 

Eine weitere Maßnahme erweitert den Schlüsselraum noch einmal enorm: Der Tastatur kann zusätzlich noch ein Steckerbrett nachgeschaltet werden. Dieses Steckerbrett ersetzt z.B. das A, noch bevor der Strom durch die Enigma geleitet wird, durch den Buchstaben D. Dies geschieht, indem der Buchstabe A auf dem Steckerbrett mit dem Buchstaben D durch Kabel (den sogenannten Steckern) verbunden wird (man sagt hier auch, A wird mit D gesteckert). Die hinter dieser Maßnahme stehende Ersetzung ist nun z.B. die folgende:

 

Hinweg: A→D (Steckerbrett)→F (Walze 1)→I (Walze 2)→R (Walze 3)

Rückweg: N (Reflektor)→S(Walze 3)→T (Walze 2)→L(Walze 1)→F (Steckerbrett)

 

Zusätzlich zum Steckerbrett gibt es noch eine weitere Maßnahme, um erstens den Schlüsselraum noch einmal stark zu erweitern, und andererseits die Häufigkeitsanalyse von Buchstaben zu erschweren. Bei der Enigma rotieren nämlich sämtliche Walzen. Bei der Enigma geschieht dies, indem bei jedem Tastendruck ein Hebel nach unten gedrückt wird, der die erste Walze (also die Walze am weitesten rechts) nach unten rotieren lässt. Erst, wenn eine Taste festgehalten wird, wird der entsprechende Buchstaben-Kontakt geschlossen. Dies bedeutet, dass beim ersten Tastendruck die rechte Walze auf der Position B und beim zweiten Tastendruck auf der Position C steht. Natürlich ändert sich dadurch auch jedes Mal der Eingangspin zur rechten Walze und dadurch die Ersetzung. Nun muss aber die zweite und dritte Walze auch rotieren. Dies wird wie folgt erreicht: Wenn die erste Walze einen bestimmten Umschaltpunkt überschritten hat, lässt eine spezielle Kerbe auch die zweite Walze um eine Buchstaben-Position nach vorn rotieren. Mit einem etwas größeren Zahnkranz auf der linken Seite kann man auch die Rotoren selbst auf eine bestimmte Grundstellung einstellen, den sog. Spruchschlüssel. Der Spruchschlüssel ist der Hauptschlüssel, mit dem eine Nachricht verschlüsselt und auch entschlüsselt wird.

 

3. Übertragen eines Funkspruchs mit der Enigma

 

Die einzelnen Walzen müssen zunächst auf eine bestimmte Grundstellung gebracht werden. Dies geschieht, indem der links an der Walze angebrachte Alphabet-Ring auf einen bestimmten Buchstaben gedreht wird. Dieser Buchstabe erscheint in einem speziellen Sichtfenster. Zusätzlich können sämtliche Walzen aus der Enigma entfernt und neu angeordnet werden, inklusive der Umkehrwalze (kurz UKW). Dies führt dazu, dass die Walzen auch in einer anderen Reihenfolge eingesetzt werden können, als z.B. I, II, III, UKW-A. Es gab fast immer mehr als drei Walzen, bei der M3 z.B. die Rotorwalzen I, II, II, IV und V und die Umkehrwalzen UKW-A und UKW-B. Die Funksprüche vor allem der deutschen Kriegsmarine wurden stets mit einem bestimmten Tagesschlüssel und einem bestimmten Spruchschlüssel verschlüsselt. Diese Schlüssel standen in bestimmten Schlüsselbüchern, auch Codebücher genannt.

 

Zum Tagesschlüssel gehören erst einmal die eingesetzten Walzen. Die Anordnung ändert sich- wie der Name schon sagt- an jedem Tag. Zusätzlich können jedoch auch die Alphabet-Ringe verdreht und in einer andren Position angebracht werden, so dass z.B. Die Grundstellung A auf das Z abgebildet wird, und das B auf das A. Diese sogenannte Ringstellung lässt sich jedoch nur dadurch ändern, dass man die Walze auseinandernimmt und neu zusammenbaut. Dies macht der entsprechende diensthabende Offizier an jedem Morgen direkt vor der Übermittlung des ersten Funkspruches.

 

Es gibt also einen Spruchschlüssel, der aus der Grundposition der Rotoren besteht, und einen Tagesschlüssel, der aus der Anordnung der Walzen und der Ringstellung besteht. Beide Schlüssel stehen in Schlüsselbüchern, die auch teilweise noch erhalten sind. Es gab jedoch bei der M3 auch eine Standardanordnung für nicht ganz so wichtige Nachrichten. Diese ist (linke Walze zuerst):

 

I,IV,III

 

Die Standard-Umkehrwalze ist Umkehrwalze B (kurz UKW-B)

 

UKW-B ist wie folgt verdrahtet:

 

 

In der ersten Zeile stehen die einzelnen Buchstaben, in der zweiten Zeile steht die entsprechende Substitution. Bei den Umkehrwalzen gibt es keinen Umschaltpunkt, weil die Umkehrwalzen ganz links und auch zuerst eingesetzt werden. Es kann sich also links von der Umkehrwalze keine weitere Walze befinden, die beim Rotieren mitgenommen werden kann.

 

Die Walze I der M3 ist wie folgt verdrahtet:

 

 

Der Umschaltpunkt der Walze IV ist der Buchstabe J, das heißt, die Umschalt-Kerbe ist so positioniert, dass vor der Rotation der nächsten Walze J auf dem entsprechenden Sichtfeld zu sehen ist, und nach der Rotation der Buchstabe K. Anders, als in manchen Foren behauptet, rotiert die Umkehrwalze bei den ersten Enigma-Modellen bis zum Baujahr 1923 nicht, und wird deshalb auch als statische Walze bezeichnet. Selbstverständlich wurde auch die Umkehrwalze später rotierend gelagert, um den Schlüsselraum noch einmal zu erweitern. Die ersten Modelle der hier behandelten M3 benutzen jedoch (anders als der Nachfolger M4 vor allem der Version II und III) eine statische Umkehrwalze.

 

Die Walze IV ist wie folgt verdrahtet:

 

 

Der Umschaltpunkt der Walze V ist der Buchstabe Z, das heißt, die Kerbe ist so positioniert, dass vor der Rotation der nächsten Walze Z auf dem entsprechenden Sichtfeld zu sehen ist, und nach der Rotation der Buchstabe A.

 

Die Walze III ist wie folgt verdrahtet:

 

 

Die sogenannten Übertragskerben dienen dazu, dass z.B. die rechte Walze die mittlere Walze ebenfalls mitnimmt, wenn die rechte Walze eine bestimmte Position überschreitet. Da man aber die Ringe mit den Kerben wie schon gesehen gegenüber dem Alphabetring verdrehen kann, kann man zusätzlich einen sogenannten Offset bei den Überträgen erzeugen. Ein Offset ist ein Versatz gegenüber der ursprünglichen Position, die z.B. das A auf den Buchstaben Z abbildet. Auch diese Maßnahme erweitert den Schlüsselraum und erschwert zusätzlich das einfache Ablesen des wirklich verwendeten Spruchschlüssels durch Spione. Auch bei der Ringeinstellung gibt es eine Standardeinstellung, nämlich PZH.

 

Nach dem Einstellen der Ringe auf die entsprechende Tagesschlüssel- Position und Einlegen der entsprechenden Walzen in die Maschine müssen nun die Walzen in eine bestimmte Ausgangsposition gebracht werden, um den Spruchschlüssel einzustellen. Zu diesem Zweck besitzen die Walzen zusätzlich Handringe. Mit diesen sogenannten Handrädeln kann z.B. die erste Walze in eine andere Position gebracht werden. Auch die anderen Walzen haben Hand-Ringe, mit denen die Ausgangsposition eingestellt werden kann. Diese Ausgangspositionen stehen natürlich ebenfalls in den Codebüchern bei einem bestimmten Datum für einen bestimmten Spruchschlüssel. Auch hier gab es die folgende Standardeinstellung (linke Walze zuerst):

 

RTZ

 

R (dieser Buchstabe kann direkt in einem kleinen Fenster an der Enigma abgelesen werden) bedeutet, dass die 3. Walze (ganz links) so eingestellt wird, dass diese auf der Position R steht. T bedeutet, dass die 2. Walze (mittlere Walze) auf T gestellt wird, und Z bedeutet, dass die dritte Walze (Eintrittswalze rechts) um 26 Positionen (Buchstabe Z) nach vorn gestellt wird.

 

Zum Schluss wird das Steckerbrett konfiguriert. Auch diese Konfiguration steht in den Schlüsselbüchern in einer Tabelle für den aktuellen Tagesschlüssel. Die Standard-Steckerbrettkonfiguration ist die folgende:

 

1-4, 3-14 ,5-20, 6-12, 7-9, 10-22, 11-26, 16-21, 17-25, 23-24

 

Dies bedeutet nichts anderes, als dass A mit D und C mit N gesteckert wird. Die Stecker-Konfiguration kann auch als die folgende Buchstabenfolge mit Zahlenpaaren angegeben werden:

 

AD CN ET FL GI JV KZ PU QY WX

 

Eine andere Alternative ist, das Steckerbrett als eine Art statische Walze zu betrachten und die Stecker-Konfiguration als eine Ersetzungsfolge anzugeben. Dies hat aber kaum praktische Bedeutung, außer vielleicht für die Programmierung einer Enigma-Simulation.

 

Übermitteln wir nun den folgenden Text:

 

Dies ist ein Test, ob meine Enigma noch funktioniert.

 

Vor allem die deutschen Enigma-Tastaturen enthielten nur Großbuchstaben und keine Satzzeichen oder Umlaute. Auch Leerzeichen im Text waren nicht vorgesehen. Deshalb muss in diesem Beispiel der Text erst einmal wie folgt geschrieben werden:

 

DIESISTEINTESTOBMEINEENIGMANOCHFUNKTIONIERT

 

Zur besseren Übertragung der Funksprüche wurde der Text in 5-er-Blöcke eingeteilt und nicht volle Blöcke wurden mit dem Zeichen X aufgefüllt. Dies sieht dann in unserem Beispiel so aus:

 

DIESI STEIN TESTO BMEIN EENIG MANOC HFUNK TIONI ERTXX

 

Nun wird die Nachricht in die Enigma eingegeben, direkt nachdem man den Tagesschlüssel und den Spruchschlüssel eingestellt hat. Immer, wenn der Benutzer eine Taste drückt, leuchtet der entsprechend verschlüsselte Buchstabe an einem Glühlampenfeld auf (Glühlampen-Version) bzw. wird direkt auf ein Blatt Papier gedruckt (schreibende Version). Auch die verschlüsselte Botschaft wird in 5-er-Blöcke eingeteilt, und die ergänzten X-Buchstaben werden auch mit verschlüsselt. Am Ende erhält man die folgende verschlüsselte Nachricht:

 

LOKBO EXXLZ OQGXQ RLQWY FSSXY JNIND MVGPU NARUW UWOBF

 

Wenn man dann die Rotoren wieder auf RTZ einstellt, und die verschlüsselte Nachricht in die Enigma eintippt, erhält man wieder die folgende Ausgangsnachricht:

 

DIESI STEIN TESTO BMEIN EENIG MANOC HFUNK TIONI ERTXX

 

Der Text wird also stets in Blöcken verschlüsselt und auch so übermittelt, inkl. einer kurzen Funkpause zwischen den Blöcken. Wenn die Anzahl der Buchstaben nicht durch 5 teilbar ist, dann werden die Blöcke mit dem Zeichen X aufgefüllt. Diese Maßnahme dient vor allem der Verwirrung des Gegners und verlangt auf Seiten des Senders und des Empfängers etwas Übung. Eine Alternative ist, auch das Leerzeichen durch den Buchstaben X darzustellen, weil X in der deutschen Sprache kaum vorkommt. Dies führte aber nicht nur zur Verwirrung beim Gegner, der versuchte, die Enigma zu knacken, sondern auch zur Verwirrung in den eigenen Reihen. Deshalb wurde die sogenannte X-Methode nur selten benutzt.

 

Die eigentliche Verschlüsselung des Textes erfolgt also Buchstabe für Buchstabe. Zunächst wird also der Buchstabe D an der Tastatur gedrückt. An der Enigma befindet sich zusätzlich ein Glühlampenfeld, in dem der verschlüsselte Buchstabe aufleuchtet (zumindest sind die Standardmodelle so konstruiert). Als Konsequenz leuchtet an dem Glühlampenfeld der entsprechende Buchstabe des verschlüsselten Textes auf, in diesem Beispiel ist es das L. Dieser Buchstabe wird nun nach dem Loslassen der Taste notiert. Der Text wird also blockweise Buchstabe für Buchstabe verschlüsselt. Die Entschlüsselung erfolgt auf die selbe Weise: Wenn der verschlüsselte Text mit der selben Grundeinstellung Buchstabe für Buchstabe eingetippt wird, kommt dabei wieder der Originaltext heraus.

 

3.1 Verwendung von Spruchköpfen

 

Die Enigma ist etwas umständlich in der Bedienung, weil man jeden einzelnen Buchstaben der verschlüsselten Nachricht per Hand notieren muss. Hierbei, aber auch bei der Übertragung des Funkspruchs in das Morsealphabet, können Fehler auftreten. Diese Fehler lassen sich nicht vermeiden, aber man kann Maßnahmen treffen, um festzustellen, ob eine Nachricht korrekt gesendet wurde. Die einfachste Maßnahme ist, der Nachricht einen Spruchkopf vorzulagern. Wenn dieser Spruchkopf richtig entschlüsselt wird, dann wurde auch die Nachricht mit einer großen Wahrscheinlichkeit richtig übertragen. Die einfachste Methode ist, den Spruchschlüssel und drei weitere Zeichen vor die eigentliche Nachricht zu hängen, z.B. RTZABC.

 

Tippt man auf der M3 mit den hier genannten Grundeinstellungen

 

RTZAB CDIES ISTEI NTEST OBMEI NEENI GMANO CHFUN KTION IERTX

 

ein, erhält man:

 

FKPHE MQHCC HMMCW OOYUG YSVKR TWOLP ZCBVW SIODQ XDFHA EMFPA

 

Tippt man auf der M3 mit den hier genannten Grundeinstellungen

 

FKPHE MQHCC HMMCW OOYUG YSVKR TWOLP ZCBVW SIODQ XDFHA EMFPA

 

ein, erhält man:

 

RTZAB CDIES ISTEI NTEST OBMEI NEENI GMANO CHFUN KTION IERTX

 

Wenn man dann die Buchstaben wieder richtig anordnet und den Spruchkopf und das X am Ende entfernt, erhält man wieder:

 

DIES IST EIN TEST OB MEINE ENIGMA NOCH FUNKTIONIERT

 

Eine weitere Alternative ist, Den Spruch- und Tagesschlüssel vorwegzuschicken, aber eine der vielen Regeln der Funker war, niemals den Tagesschlüssel (auch nicht in verschlüsselter Form) in die Nachricht zu integrieren. Leider wurde diese Regel allzu oft gebrochen, denn bei der Vielzahl an Nachrichten, die im Laufe der Zeit verschickt wurden, kam es immer häufiger zu Situationen, in denen wichtige Nachrichten überhaupt nicht entschlüsselt werden konnten. In diesem Fall wurde der Spruch- und Tagesschlüssel sogar per Sprechfunk übertragen.

 

4. Der Enigma-Code wird geknackt

 

Wie kann man nun den Enigma-Code knacken? Im Endeffekt ist die Verschlüsselung selbst relativ sicher, und der Schlüsselraum mit den später verwendeten vier Walzen der M4 ist unüberschaubar groß. Alle Schlüsseleinstellungen per Hand durchzuprobieren würde sicherlich niemals gelingen, denn ein Codebrecher müsste auch noch zusätzlich prüfen, ob die entschlüsselte Nachricht einen Sinn ergibt. Und dies kann nicht einmal moderne KI leisten. Der Schwachpunkt lag eben nicht bei der Enigma, sondern an der Menge an Nachrichten, die damit verschlüsselt wurden. Als Konsequenz daraus glichen sich vor allem die Standard-Berichte bis auf wenige Buchstaben. Ein gutes Beispiel ist der Wetterbericht.

 

Angenommen, es regnet um 14 Uhr, und es ist auch nicht abzusehen, dass es aufklart. Außerdem weht ein starker Wind und im Norden gibt es sogar eine Sturmwarnung. Auch im Krieg spielen Wetterberichte eine wichtige Rolle, denn es konnte immer geschehen, dass z.B. Sturm einen erfolgreichen Angriff vereitelte. Also musste z.B. die Kriegsmarine ständig über das Wetter informiert werden. Leider sind vor allem standardisierte Wetterberichte sehr kurz und immer gleich aufgebaut. So könnte eine Nachricht so lauten:

 

STARKER REGEN UND STURM ANGRIFF ERST MORGEN FRUEH

 

Wenn jetzt die Briten, die den Enigma-Code für einen bestimmten Tag knacken wollten, wussten, wo sich die Deutschen gerade befinden (und dies wussten sie in der Tat), dann konnten sie mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Anfangstext des Wetterberichtes

 

STARKER REGEN UND STURM

 

lautet. Dies sind schon genug Zeichen, um mit diesen systematisch den Tagesschlüssel und die Ringeinstellung zu suchen. Natürlich verlangt diese Suche eine automatisierte Texterkennung, aber diese gab es damals schon im Bletchley Park in England in Form der von Alan Turing entwickelten Bomben. Die Bomben (automatisch rotierende Nachbildungen der Enigma-Rotoren) konnten systematisch und auch relativ schnell testen, ob z.B. der Tagesschlüssel PZH und der Spruchschlüssel RTZ den gesuchten Textteil „STARKER REGEN UND STURM“ liefert. Im Erfolgsfall blieben die Bomben dann stehen und man konnte das Ergebnis von speziellen Zeigern ablesen. Mit diesem Wissen ist es nicht mehr sehr schwer, die gesamte Nachricht zu lesen, nämlich

 

STARKER REGEN UND STURM ANGRIFF ERST MORGEN FRUEH

 

Dass die Kenntnis einer solchen Nachricht ein Strategievorteil ist, liegt auf der Hand, denn wer erfahren hat, dass der Angriff verschoben wird, der kann noch vor seinem Gegner vor Ort sein.

 

5. Die Enigma heute

 

Die Enigma erfährt heute oft nur noch historisches Interesse, aber trotzdem gibt es immer noch Menschen, die sich mit der Enigma befassen. Vor allem die Simulation der alten Maschine (dies gilt auch für andere Maschinen wie die Lorenz-Schlüssel-Maschine) auf modernen PCs kann dazu benutzt werden, alte Funksprüche aus dem 2. Weltkrieg zu entschlüsseln. Es ist aber leider nicht damit getan (wie ich selbst erfahren musste) einfach ein paar Substitutions-Tabellen zu erstellen und einen mehrfachen Lookup-Algorithmus zu programmieren. Denn bei der ersten Rotation der ersten Walze stimmen zumindest statische Substitutionstabellen schon nicht mehr- dies gilt übrigens ebenso für die Umschaltpunkte der Übertragkerben. Im Bereich „Simulation der Enigma mit C++“ gehe ich detailliert auf dieses Problem ein und biete natürlich auch eine einfache Lösung hierfür an. Mein Nahziel ist hier schon erreicht, nämlich die Simulation der M3 mit 3 rotierenden Walzen und einer statischen Umkehrwalze. Das Fernziel ist die Simulation sämtlicher Maschinen, auch der modifizierten Versionen mit einer beliebigen Anzahl and Walzen und Umschaltpunkten. Mit verketteten Listen für die Walzen und dynamischen Arrays für die Substitutionstabellen ist dieses Ziel auch gut erreichbar.